Nachrichten sind gut

„Die Regierung in Rom setzt sich im Schuldenstreit gegenüber der EU-Kommission durch. Alle Bemühungen der vergangenen Jahre, den Euro zu stabilisieren, werden damit konterkariert. Ein fatales Signal für die Gemeinschaftswährung. Die italienische Regierung hatte es unzweideutig versprochen: Im kommenden Jahr würde das staatliche Budgetdefizit auf 0,8 Prozent gesenkt…“

Ich höre durch die Wand zu meinem Zimmer die Nachrichten, die sich meine Mitbewohnerin während ihrer morgendlichen Hygieneroutinen im Badezimmer reinzieht. Ich höre ernste Stimmen. Ernste Stimmen von Frauen und ernste Stimmen von Männern. Nehmen diese Menschen, die da aus den Abspielgeräten plappern, sich tatsächlich so ernst, wie sie für ihre bemitleidenswerte Hörerschaft klingen? Ich weiß es nicht.

Fakt ist jedoch für mich, dass diese ernst klingenden Menschen in ihrem Leben auch Momente und Stündchen haben müssen, in denen sie zu ihrem wahren Selbst einen besseren Zugang haben, als während so einer strengen Nachrichtenübertragung.
Dann sind sie da alleine mit vertrauten Menschen oder alleine mit sich selbst. Und vielleicht machen sie sich nackig und schauen ihre nackten Leiber im Spiegel an. Sie wippen dann mit ihren Brüsten oder lassen den Penis wie einen Propeller kreisen. Ein erhelltes Grinsen ziert dabei ihre Gesichter. Vielleicht denken sie dabei  daran wie sie zuletzt noch im Studio standen und ernsthaft ihre Trauernachrichten über die Sender schickten. Dann schauen sie wieder in den Spiegel und lassen ihre nackten Leiber vor diesem in einem irren Tanz erbeben.

Jetzt ist es kein Grinsen mehr, jetzt ist es ein verrücktes Gelächter, welches nicht nur ihre eigenen vier Wände mit Wärme schmückt, sondern eines, das durch die Wände dringt. Nach draußen auf die Straßen. Hinaus zu den traurigen Menschen, die gerade noch von ein paar Neuigkeiten aus den Nachrichtenredaktionen verunsichert wurden.  Jetzt können sie die Verzückung fühlen, die in ihre Ohren dringt. Und die Verzückung kommt von Nachrichtensprechern, die nackt wie Gott sie schuf in ihren eigenen vier Wänden vor dem Spiegel geisteskranke Tänze vollführen und im Angesicht dieser Absurdität völlig außer sich geraten. Eine Götzenfreude!

In einer ruhigen Sekunde kommt dann in diesen vielleicht die Frage auf, was in sie gefahren sei, um dieses irre Theater aufzuführen… Und wenn ein bisschen Erleuchtung über sie kommt, dann, liebe Kinder, kommt ihnen vielleicht der Gedanke, dass sie dies fortan sein lassen wollen und nie wieder diese widerlichen Cocktails aus Angst, Hass, Depression und Ernsthaftigkeit über die Kanäle schicken wollen. Lieber wie ein Buschmann oder eine Buschfrau die Leiber schütteln und dabei ganz außer sich geraten bei der Betrachtung des Spiegelbilds!
Das scheint zwar auch total absurd, schafft aber wenigstens ein bisschen Freude.

„Nun hat man sich auf 2,04 Prozent geeinigt, Brüssel will nicht länger ein Defizitverfahren einleiten… Der Euro ist durch Roms Pyrrhussieg schwächer geworden. Die EU ist schwächer geworden. Gewinner wird es, jedenfall auf lange Sicht, keine geben. Ein schwarzer Tag für Europa.“

Und ich lasse meinen Penis vor dem Spiegel wie einen Propeller kreisen…

AS, 19.12.2018