Vogel Strauß

diewelt

[Vorneweg: Ein paar Sachen in dem Beitrag würde ich heute nicht mehr so schreiben, beziehungsweise würde ich heute nicht mehr  alles unterschreiben, was in dem Artikel von mir geschrieben steht. Dennoch will ich den Beitrag online lassen, weil er auch sowas wie ein Zeitzeuge ist da vom Anfang der Corona-Zeit… Lasst mir gerne Feedback dazu da.]

Mir ist da was aufgefallen. Ein Spiel geht da vor sich, das hier in dieser Welt schon sehr lange gespielt wird. Welches aber jetzt in dieser seltsamen Zeit überspitzt zu Tage tritt, in vielfältigster Weise. Einer verschanzt sich mit Bier, Chips und Netflix in seiner Höhle und redet sich ein dabei die Welt zu retten, der andere raucht seinen Joint um in seiner künstlichen Peace-and-Harmony-Blase zu bleiben und ja keine bösen Gefühlsregungen aufkommen zu lassen, der Nächste dreht völlig am Rad, weil jemand die Worte der Regierungsvertreter anzweifelt, „wo kämen wir da hin, wenn ich anfangen würde auf einmal die Kanzlerin oder ARD, ZDF, Spiegel und alles zu hinterfragen?“. Wenn an den Zweifeln was dran sein würde, dann wäre das schlimmer als damals, als du erfahren musstest, dass dir gar nicht das Christkind beziehungsweise der Weihnachtsmann die Geschenke bringt. Nein, so eine Enttäuschung reicht einmal im Leben. Besser gar nicht dran denken. Doch nicht nur die sogenannten „Mainstreammedien“ dienen als Nikolausersatz, nein auch alternative Kanäle eignen sich prima um sich an deren Wahrheiten zu klammern. Oder sich in Szenarien zu verlieren, die von goldenen Zeiten berichten, für deren Kommen du nur auf deinem Arsch sitzen musst. Im Prinzip wieder Netflix & Chill und alles wird gut.
Eine andere ausgeklügelte Form dieses Kopf-in-den-Sand-und-die-Welt-ist-weg-Spiels praktizieren auch noch diejenigen, welche sich ihre wundervolle Welt einfach herbeimeditieren wollen, die  die Schönheit visualisieren und alles Dunklere unter den Teppich kehren. Versteht mich nicht falsch, Meditation und Visualisierungen können sehr gute Werkzeuge sein um sein Leben zu verbessern, nur musst du (dabei) auch den Schatten begegnen um wahren Frieden zu finden und in die Welt tragen zu können. Wer es dennoch schafft, nur durch positive Vorstellungskraft und durch Ausschließen von allem „Bösen“ eine bessere Welt zu schaffen, jetzt plötzlich wieder rausgehen zu dürfen und mit anderen ungestraft zu tanzen und so, der gebe mir bitte Bescheid.

Wir krass eigentlich, in diesen Tagen ist es Utopie rausgehen und mit anderen tanzen zu dürfen… Schau da hin und mach die Augen auf!  Irgendwas geht schief. Und du bist es, der (wenn er nicht aufwacht) eines Tages seinen Enkeln erzählen darf, dass er in dieser Zeit im brennenden Bette nur schlief. Ganz ähnlich wie es Elterngenerationen vor ein paar Jahrzehnten auch machen mussten und jeder wunderte sich dabei, warum waren die so naiv? Musste man damals vor 90 Jahren nicht erkennen, dass was komisch lief? Aber ich will das nicht vergleichen. Denn jetzt ist alles gut. Solange ich mir noch meinen Arsch abwischen, mir Serien anschauen und/oder ich mich mittels was auch immer in meine Märchenwelten flüchten kann.

Und hey, es ist wirklich okay, sich einfach mal auszublenden, auf den großen Lauf der Welt zu scheißen (solange noch Klopapier da ist) oder gemütlich auf die Kompetenz der Politiker zu hoffen. Doch am Ende des Tages gibt es nur einen Menschen, dem du verpflichtet bist nach der Wahrheit zu suchen (du weißt wer es ist). Und der durchschaut dich, der merkt, wenn du nicht dein Bestes gibst. Dieser hätte gerne, dass du das neugierige Kind bist, das an Heiligabend durchs Schlüsselloch spitzt. Und, dass du dann mit deiner neu erkannten Wahrheit klarkommst, egal was du erblickst. Denn das was gerade in der Welt geschieht ist nur eine Metapher. Eine Metapher dafür, ob wir es wagen wieder zu sehen und unser Erblicktes anzunehmen, selbst wenn es uns so befremdlich vorkommt, wie der kindliche Blick durch elterliche Schlafzimmerschloß. Mach die Augen auf und sieh hin, wer da mit wem gerade fickt. Nimm es hin, egal was du siehst, selbst wenn es nur weitere Fragezeichen für dich gibt.
Sei der Vogel Strauß, der den Kopf aus dem Sand zieht und auf sein eigenes Leben sieht, sei das Kind, das jetzt groß genug ist um nicht nur durch die Schlitze zu spähen, sondern um Türen zu öffnen, auch wenn Schatten dahinter lauern… und vielleicht erblickst du da, hinter zu Trümmer zerfallenden Mauern, wahre Wunder, von denen du dachtest, dass es sie gar nicht gibt.